Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 360

 

Standort:

Dülkener Straße 76,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 28,5" N   06o 22' 49,7" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1899 / 1905

Tag der Eintragung als Denkmal

4. April 1996

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Sudhaus und Kontorgebäude in Viersen

        

Denkmalbeschreibung:

Geschichte
Das "Kalendarium von Viersen" (Viersen 1912) verzeichnet für das Jahr 1820 13 Brauereien und 17 Schnapsbrennereien in der Stadt. In die damit angesprochene Phase der Vor-Dampfmaschinen-Zeit fällt auch der Bau einer Malzdarre und Bierbrauerei im Jahre 1854 durch die Brüder Peter und Adrian Aengeneyndt, wenig südlich der Dülkener Straße, westlich des Ortskerns gelegen.

Die Konzessionsakten (freundlicherweise von der UDB Viersen zusammengestellt) lassen die rudimentäre Technologie erkennen, die dabei angewandt wurde: In dem 2 1/2-geschossigen, 7-achsigen Bau hängen an zwei Kaminen zum einen die beheizte Sudpfanne der Brauerei im Erdgeschoss am westlichen Ende des Gebäudes, zum anderen im ersten Obergeschoss die von einem Darrofen im Erdgeschoss beheizte Malzdarre in Gebäudemitte. Die dabei entstandene Architektur unterscheidet sich äußerlich noch nicht von den Wohnarchitekturen der Zeit. Zwischen den 1850er und 1870er Jahren fand dann offenbar mehrfach ein Besitzwechsel der Anlage statt. Der Bierbrauer Anton Lohbusch erscheint erstmals 1873 in den Bauakten. Erstes bedeutendes Bauwerk unter der Ägide Lohbusch ist 1884 der noch heute bestehende Kamin von über 25 m Höhe, der mit seiner Bezeichnung "Dampfschornstein" (Baugesuch vom 19.6.1884) auf die nun herrschende Ära des Dampfmaschinenzeitalters verweist. Auf dem vorhergehenden Lageplan (25.8.1877) war noch kein solches Bauwerk vermerkt gewesen. Der Antrag auf den Bau eines neuen Kesselhauses (21.7.1886) setzt allerdings das Vorhandensein eines Vorgängerbaues voraus, den frühesten Zeitpunkt des Einsatzes einer Dampfmaschine bei Lohbusch könnte nur die Einsichtnahme in die Konzessionsakten klären.

Der Einsatzbereich von Dampfmaschinen im Brauereibetrieb erstreckt sich neben dem Antrieb für die Transport- und Rührwerke auch auf den Kompressorenbetrieb zur Erzeugung künstlicher Kälte nach dem Lindeschen Kühlverfahren, das - 1877 mit Reichspatent versehen - die seit den 1840er Jahren sich entwickelnde Technologie der künstlichen Kälte zur Anwendungsreife brachte. Demzufolge finden wir auch bei Lohbusch 1888 einen Antrag zur Vergrößerung des Eismaschinenhauses, sowie eines neuen Kessel- und Maschinenhauses für die Dampfmaschine.

Brautechnisch relevant ist dann auch 1895 der Neubau eines Flügelgebäudes für die Fa. Lohbusch Nachfolger (16.8.1895), das nach der Schnittzeichnung im ersten Obergeschoss ein großes Kühlschiff aufweist, das mittels Aufzugsanlage mit den Kühlkellern verbunden ist. Dieser Bau mit Tonnendach und Rundbogenöffnungen zum Innenhof hin ist bis heute erhalten.

Markantestes Bauwerk auch der heutigen Anlage ist dann ab 1899 das dreigeschossige Sudhaus mit der charakteristischen, durch hohe Rundbogenfensteröffnungen belichteten Sudhalle im Erdgeschoss. Für das Erscheinungsbild der Anlage zum öffentlichen Raum der Straße hin ist, neben den veränderten Pferdestallbauten, das zweigeschossige, siebenachsige Büro- und Verwaltungsgebäude mit Gärkellern von 1904/05 (Antrag vom 3.9.1904) von Bedeutung. Dieser von Architekt Josef Pütz, Düsseldorf 1905 detaillierte Kontorbau weist zur Straße hin eine fünfteilige Abwicklung auf. Flankiert von zwei zweiachsigen, übergiebelten Trakten, rahmen zwei auf Stichbogenkonstruktionen vorspringende Erker die einen Balkon tragende Mittelachse, deren Übergiebelung die vollplastische Figur des Gambrinus, des sagenhaften Bierbrauers Karls des Großen, erkennen lässt. Damit ist die Beschreibung der baulichen Entwicklung, soweit sie sich auf den heute denkmalrelevanten Teil des Gesamtkomplexes bezieht, abgeschlossen.

Beschreibung
1. Kontorbau
Nach dem unter I. Erwähnten, ist für die Westfront des Kontorbaues noch die im "Burgenstil" gehaltene, plastische Ummauerung des Haupteinganges zu erwähnen, denn der Bau weist an seiner gesamten Straßenfront keinen Eingang auf und ist von der Schmalseite im Westen her erschlossen. Für die Kontoreigenschaft eines Baues im 19. Jahrhundert charakteristisch ist der zum Werkshof in der Nordwestecke des Gebäudes in Höhe des ersten Obergeschosses angeordnete Erker mit einer Kontrollfunktion für die Betriebsabläufe. Zu einem späteren Zeitpunkt kam noch ein weiterer Erker auf Stahlprofilkonstruktion an der südlichen Rückseite des Kontors hinzu. Dieser Erker überblickte den zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach der Jahrhundertwende überdachten Innenhof. Eine erhaltene Firmenansicht von 1907 zeigt eine flache Tonnenkonstruktion aus Stahlprofilen. Die stilisierte Werksansicht aus den 1950er Jahren zeigt hingegen die auch heute noch existierende, in mehrere Quertonnen aufgelöste und mit Wellblech bedeckte Hofüberdachung.

1967 wurde die gesamte Straßenfront des Kontorbaues mit gelben Verbundklinkern verschandelt, ein Rückbau auf den ursprünglichen Zustand scheint aber möglich, zumal Teile der Werksteingliederungen nicht mitverkleidet worden sind.

2. Sudhaus
Zweiter denkmalwerter Bestandteil der Brauereianlage ist das dreigeschossige, ca. 12,00 auf 17,00 m in der Grundfläche messende Sudhaus von 1899. Über der 7,55 m hohen Sudhalle ist ein 3,00 m hoher Malzboden angeordnet, dem wiederum mit 5,30 m Firsthöhe ein zweiter Malz- und Schrotboden folgt. Der Innenausbau ist mit eisernen Gussstützen und Walzträgern vorgenommen worden. Im Osten ist das Treppenhaus angeordnet. In vielen Teilen des Gebäudes haben sich auch die für Bauten dieser Art charakteristischen farbverfliesten Wandflächen erhalten, die Bestandteil des Denkmalwertes sind.

Dem Außenbau ist seine Funktion auf den ersten Blick anzusehen. Der Westteil verfügt über die typischen großen Fensteröffnungen für die im Erdgeschoss gelegene Sudhalle. Im Norden und Westen sind die ursprünglich rundbogig geschlossenen Fenster (vgl. Briefkopf von 1907) rechtwinklig verändert. Die Südfront hingegen trägt die ursprünglichen Fensteröffnungen hinter einem Anbau aus den 1960 oder 1970er Jahren. Der 4 zu 2 Achsen messende, turmartig wirkende Bau ist durch kräftige Lisenen gegliedert. Über einem reichen Gesims folgt das erste Obergeschoss mit eingetieften, gekoppelten Stichbogenfenstern unter Überfangbogen. Erstreckt sich diese Anordnung im Westen über die beiden Obergeschosse, finden sich im Norden und Süden in den Horizontalgesimsen eingeschnittene, dreifach gekoppelte, schlitzartige Fenster zur Belichtung des zweiten Obergeschosses. Türmchen auf Gebäudeecken und Mittelgiebel beleben die Dachsilhouette, ebenso der charakteristische Darreschornstein in Stahlblech. Historisch relevante technische Ausstattungen haben sich nicht erhalten.

3. Schornstein (kein Denkmal)
Der ca. 25,00 m hohe, runde und konische Schornstein mit späteren Bandagen erhebt sich über einen oktogonalen, vom Bauantrag 1884 in der Form abweichenden Sockel, der unter Umständen auch eine spätere Ummantelung darstellen könnte. Er setzt für das gesamte Stadtquartier einen markanten Akzent.
Die übrigen baulichen Anlagen, unter denen sich südöstlich des Schornsteins wohl auch ursprüngliche Teile der ersten Keimzelle von 1854 verbergen, ist nicht von bauhistorischem Belang. Zahlreiche Umbauten und Veränderungen an Maschinen- und Kesselhäusern, sowie das Fehlen historischer maschineller Ausstattungen, lassen hier keinen Denkmalwert erkennen.

Bewertung
Bei der zwischen 1854 und 1967 entstandenen Anlage der Lohbusch Brauerei handelt es sich nach Maßgabe des unter II., Pos. 1-2 beschriebenen Umfanges um ein Denkmal im Sinne des § 2, Absatz 1, DSchG NW. Die Bauten sind bedeutend für die Geschichte der Städte und Siedlungen sowie für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Für Nutzung und Erhaltung liegen wissenschaftliche, künstlerische und städtebauliche Gründe vor.

Für den mit der Entwicklung der Maschinentechnik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich gewordenen Typus der Dampfbrauerei ist die Fa. Lohbusch ein gutes und charakteristisches Beispiel. Brauereianlagen dieser Generation, einst als wichtige Ausprägung der Anlagen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie vielfach entstanden, werden auf Grund der Konzentrationsbewegungen der Brauindustrie hin zu Großanlagen immer seltener. Darüber hinaus haben ihre architektonischen Erscheinungsformen geradezu chiffreartige Standardisierungstechniken entwickelt. Das Lohbusch'sche Sudhaus in seiner turmartigen Erscheinung mit der klar ablesbaren, durch die charakteristischen Fensteröffnungen deutlich markierten Sudhalle ist hierfür ein hervorragendes Beispiel. Einen Schritt darüber hinaus macht das Kontorgebäude in seiner - nach Entfernung der Verklinkerung wieder ablesbaren - repräsentativen Erscheinungsform mit Elementen einer "architekture parlante" in Gestalt der vollplastischen, die Zweckbestimmung der Anlage nach außen hin verkündenden Gestalt des Gambrinus. Mit dem Schornstein, einem der mittlerweile selten gewordenen in diesem Teil Viersens, bleibt ein Element im Stadtbild erhalten, wie es nach Aussage zeitgenössischer Fotografien prägend für die Silhouette der Stadt gewesen ist. Hier gilt es auch, den Verlust der zahlreichen Betriebe der Lebensmittelverarbeitung, die der Flächenabbruch der Kaiserschen Fabrikbauten mit sich gebracht hat, für die Stadt wieder gutzumachen.

Einbeziehbar in Verwertungsplanungen künftiger Nutzer, vermag der Fortbestand von Sudhaus, Kontor und Schornstein der Lohbusch Brauerei dem relativ uniformen Ambiente dieses Teiles von Viersen wertvolle städtebauliche Impulse zu vermitteln. Zahlreiche Beispiele von Neunutzungen im Brauereibereich landauf - landab haben dies deutlich gemacht.