Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 389

 

Standort:

Venloer Straße 50, D 41751 Viersen - Dülken

GPS:

5115' 09,9" N   06o 19' 40,7" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

zw. 1860 und 1865

Tag der Eintragung als Denkmal

29. Juni 2000

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus und Büro in Dülken

Denkmalbeschreibung:

Das Gebäude Venloer Straße 50 in Dülken wurde zwischen 1860 und 1865 von dem Unternehmer Mathias Bücklers als Wohnhaus (mit Büro) für sich und seine Familie errichtet.

Es handelt sich um eine zweigeschossige Villa in Ecklage mit Attikageschoss und flach geneigtem Dach. Zwei Fassaden sind als Schauseiten ausgebildet: die Längsseite mit fünf Fensterachsen zur Venloer Straße und die Schmalseite mit dem Haupteingang zur Verbindungsstraße zwischen Venloer und Gasstraße, die heute den Namen Bücklers' trägt. Ein Treppenhausrisalit und ein ehemaliger Wintergarten variieren den ansonsten rechteckigen Grundriss nach hinten, an die westliche Schmalseite wurde nach 1970 ein Fabrikationsgebäude (Näherei / Schneiderei) angebaut.

Das Erdgeschoss der beiden Hauptfassaden ist mit einem Bänderputz strukturiert, das Attikageschoss besitzt einen Putzspiegel; das Obergeschoss ist einfach verputzt. Die Fenster sind hochrechteckig; diejenigen zur Venloer Straße sind mit einer schlichten Verdachung betont (ein dünnes Gebälk auf seitlichen Konsölchen über einem abgeflachten Blendbogen). Erd- und Obergeschoss werden durch ein dünnes Sohlbankgesims voneinander getrennt, welches die horizontale Lagerung des Baukörpers noch verstärkt. Die quadratischen Fenster im Attikageschoss sind offenbar nachträglich vergrößert worden; an der westlichen Schmalseite ist ihre wohl ursprüngliche Größe ablesbar.

Der von Pilastern gerahmte Hauseingang mit zweiflügliger Haustür an der östlichen Schmalseite ist mittig angeordnet und wird von einem dreiseitig durchfensterten Kastenerker überfangen. Dieser ruht auf ausladenden Volutenkonsolen und ist durch eine reich profilierte Gebälkzone und einen Dreiecksgiebel antikisierend ausgestaltet. Rechts neben dieser hervorgehobe-nen Mittelachse durchbricht lediglich ein weiteres Fenster die ansonsten geschlossene Wand dieser Seite.

Die Rückseite wird dominiert von einem einachsigen Mittelrisalit, der mit einem großen Rundbogenfenster (derzeit mit Glasbausteinen geschlossen) das Treppenhaus markiert. Darüber befindet sich noch ein kleiner runder Okulus. Der Risalit ragt leicht über die Traufhöhe des Hauptbaukörpers hinaus; auf Fotos von ca. 1970 ist als oberer Abschluss noch ein Zinnenkranz zu erkennen. Links neben dem Risalit reicht ein eingeschossiger ehem. Wintergarten in den Garten hinaus; auch seine Fenster sind derzeit mit Glasbausteinen geschlossen. Die Rückfront ist ansonsten in zeittypischer Weise schlichter gestaltet als die vorderen Fassaden, einfach verputzt und lediglich mit schmalen Blenden als Fensterbekrönungen.

Das Innere des Gebäudes hat durch die letzte Nutzung als Fabrikationsstätte und andere moderne Einbauten gelitten. Dennoch sind einige historische Ausstattungselemente und die Raumorganisation samt Erschließung noch vorhanden bzw. erkennbar.

Vom Haupteingang aus gelangt man in einen geraden Mittelflur; rechts von ihm befindet sich in der Achse des Risalits das Treppenhaus mit einer großen, noch original erhaltenen, qualitätvollen Holztreppe (gerade, zweiläufig mit Richtungswechsel, mit gedrechselten Geländerstäben, Kreis- bzw. Bandornamenten an den Wangen und geometrisch reliefierten Podest-Untersichten). Die zur Venloer Straße hin gelegenen Erdgeschossräume sind heute zu einem einzigen großen Raum zusammengelegt. Besser erhalten ist die ursprüngliche Raumstruktur noch im Obergeschoss (ebenfalls Mittelflur mit beiderseits aufgereihten Zimmern); hier sind auch noch andere historische Details wie einige Türen / Türgewände und Stuckdecken (eine mit Mittelrosette) erhalten. In den meisten Zimmern wurden die Decken abgehangen; möglicherweise haben sich darunter weitere historische Deckengestaltungen erhalten. Das Dachgeschoss (Attikageschoss) ist modern ausgebaut. Das gesamte Haus ist mit einem großen Gewölbekeller unterkellert.

Bauherr und Bewohner
Eine Lebensbeschreibung von Mathias Bücklers aus dem Jahr 1941 vermerkt (leider ohne Quellenangabe), dieser habe - wohl zu Beginn der 1860er Jahre - an der Venloer Straße ein großes Haus für sich, seine Frau und zwei Töchter errichten lassen und habe seinem Schwiegersohn und Kompagnon Eduard Jansen sein altes Haus an der Lange Straße überlassen. Im Adressbuch Dülkens von 1865 ist Bücklers unter der Adresse Bruchstraße 54 zu finden; 1879 ist für ihn die Adresse Venloer Straße 26 angegeben ("Bruchstraße" ist der alte Name der späteren Venloer Straße). Die Bauakte enthält als früheste Unterlage ein Baugesuch von 1880, welches Eduard Jansen als Antragsteller ausweist.

Johann Mathias Bücklers ist neben Gerhard Mevissen die zweite zentrale Unternehmergestalt in der frühen industriellen Entwicklung Dülkens. Außer den von ihm gegründeten und geführten, langfristig erfolgreichen Unternehmen zeugt davon auch die Tatsache, dass ihm seine Heimatstadt - nicht zuletzt wegen gemeinnützigen Stiftungen wie der Realschule - den Titel eines Ehrenbürgers verlieh.

Bücklers wurde am 6. August 1794 in Dülken geboren. Sein Vater war Leimsieder und Bier-brauer. Nach einer Lehre in einer Rietmacherei in Elberfeld und Militärdienst mit Gefangenschaft während der Befreiungskriege 1813/14 lebte er bis 1818 in Elberfeld. Danach gründete er in Dülken mit Anton Weyers sein erstes Unternehmen, eine Flachszwirnerei, aus der er 1824 aber wieder austrat. Nach zwischenzeitlicher Kooperation mit Gerhard Mevissen gründete er 1827 mit August Königs die Zwirnerei Königs & Bücklers (die 1830 die erste Dampfmaschine in der Region betrieb). 1831-41 führte Bücklers die erfolgreiche Firma allein, danach mit Julius Prell und schließlich mit seinem Sohn Jakob Bücklers. 1851 gründete er gemeinsam mit Schoeller und Mevissen ein weiteres Unternehmen, eine Flachsspinnerei, der Jakob Bücklers als Direktor vorstand. 1866/68 schließlich folgte die erste (und einzige) Baumwollspinnerei Dülkens, die Firma Bücklers & Jansen (ab 1897: Dülkener Baumwollspinnerei AG), bei der sein Schwiegersohn Eduard Jansen von Beginn an als Teilhaber mitwirkte. Am 15. August 1889 ist Bücklers, ausgezeichnet u.a. mit dem Titel Geheimer Kommerzienrat, in Dülken gestorben.

Dr. Eduard Jansen wurde am 6. Januar 1830 in Dülken geboren. Als Arzt praktizierte er zunächst in Waldniel, bevor er sich 1857 in Dülken niederließ. Im selben Jahr heiratete er eine Tochter von Mathias Bücklers (Gertrud Josefine). 1861 gab er seine Praxis auf und wurde Teilhaber seines Schwiegervaters, zunächst in der Zwirnerei und dann in der neu gegründeten Baumwollspinnerei Bücklers & Jansen, die 1866/68 auf dem Gelände einer alten Wachsbleiche im "Viefental" angelegt wurde, nördlich des Wohnhauses an der Venloer Straße. Nach dem Tod von Bücklers führte Jansen die Unternehmen alleine weiter und beteiligte sich noch an weiteren (z.B. an der Maschinenfabrik Burtscheidt, Unrici & Co). Auch er führte schließlich den Titel eines Geheimen Kommerzienrates und war längere Zeit Vorsitzender des Verbandes der Großindustriellen von Rheinland und Westfalen sowie Beigeordneter in seiner Heimatstadt. Am 25. Oktober 1898 ist er gestorben. Die Firma Bücklers & Jansen existierte noch bis 1932.

Aus diesen Daten kann mit hoher Sicherheit rekonstruiert werden, dass Bücklers wohl tatsächlich das Wohnhaus Venloer Straße 50 etwa 1861 oder kurz danach für sich, Ehefrau und Töchter, bauen ließ und seinem neuen Schwiegersohn Eduard Jansen sein altes Haus an der Lange Straße überließ. Wann Jansen in die Villa einzog, muss (da mit Adressbüchern nicht besser eingrenzbar) offen bleiben, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass Jansen 1880 für den schon hochbetagten Bücklers zwar unterzeichnete, dort aber noch nicht wohnte.

Zur jüngeren Besitzgeschichte des Hauses gibt die Bauakte 1963 den Verkauf an den Schneidermeister Delbos an. Fortan diente das Wohnhaus als Werkstätte und musste etwa 1970 einen An- und Umbau hinnehmen.

Würdigung
Architekturgeschichtlich zeigt das Wohnhaus die um die Mitte des 19. Jahrhunderts für diese Bauaufgabe gebräuchlichen spätklassizistischen Formen eines kompakt geschlossenen kubischen Baukörpers, breit gelagert und horizontal betont, mit flachem oder nur wenig steilem Dach über einem Attikageschoss. Die Fassade ist achsensymmetrisch und im wesentlichen flächig verstanden (z.B. sehr flache Fensterverdachungen und -gewände sowie Gesimse), Ausbauten sind als eigenständige Kuben ausgeführt (Kastenerker, Treppenhausrisalit).

Größe und Gestaltung des Hauses waren zur Zeit seiner Errichtung im Dülkener Rahmen sicher bemerkenswert, auch wenn sie im Vergleich mit späteren Villen der Jahrhundertwende eher "bescheiden" wirken, was aber klassizistisch-bürgerlichem Ideal entspricht. Sozialgeschichtlich von Interesse ist im Falle der Bücklers-Villa in Dülken wie auch anderswo, dass solche freistehenden Unternehmervillen einen neuen Schritt in der Entwicklung unternehmerischen Wohnens verkörpern. Oft waren es um die Jahrhundertmitte Vertreter der "zweiten Generation", die sich diese Häuser errichten ließen, während die Gründergeneration in den alten Häusern in den Stadtkernen (oft eingebaute Reihenhäuser) verblieben. Etwas anders und dennoch vergleichbar liegt der Fall hier, wo mit Bücklers der alte Unternehmensgründer das neue Haus bezieht, wohingegen Jansen als nächste Generation erst noch in das alte Haus Lange Straße einzieht.

Als Villa vor dem alten Stadtkern, an einer wichtigen Ausfallstraße und im Zusammenhang mit der dahinterliegenden Fabrik (heute beseitigt) war das Wohnhaus Bücklers ein repräsentatives, "standesgemäßes" Bauwerk. Trotz der zwischenzeitlich unangemessenen Nutzung zeugen der weitgehend erhaltene Außenbau sowie die wenigen erhaltenen Stuckreste und vor allem die bemerkenswerte Treppe sogar noch im Inneren von diesem Charakter.

Dieses Gebäude überliefert also einen wichtigen Teil Dülkener Wirtschafts- und Stadtgeschichte, der auch mit der Ehrenbürgerwürde und der Benennung der vorbeiführenden Straße nach Bücklers dokumentiert ist. Als Wohnhaus eines der bedeutendsten Unternehmers der Stadt im 19. Jahrhundert und dann seines Schwiegersohnes, die beide über ihre Unternehmen hinaus auch bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ihrer Heimatstadt und der Region mitwirkten, ist die Villa Bücklers, Venloer Straße 50, bedeutend für Viersen (Dülken). Als substantiell noch anschaulich erhaltenes Beispiel einer Unternehmervilla in den typischen spätklassizistischen Formen der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Wohnhaus äußerst bedeutender Persönlichkeiten der Dülkener Orts- und Wirtschaftsgeschichte und im weiteren Sinne als "Rest" einer ehemals bedeutenden Fabrik am Rande der Altstadt von Dülken (Bücklers & Jansen) liegt ihre Erhaltung und sinnvolle Nutzung aus wissenschaftlichen, insbesondere orts-, architektur- und sozialgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse. Wegen der markanten Ecklage, die in den beiden Hauptansichtsseiten zum Ausdruck kommt, treten städtebauliche Gründe hinzu. Es handelt sich daher um ein Baudenkmal gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz.