Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 403

 

Standort:

Königsallee 26,  D 41747 Viersen

GPS:

5115'19,9" N   06o 23' 39,7" O

Zuständigkeit:

Evang. Kirchengemeinde Viersen

Baujahr:

1954

Tag der Eintragung als Denkmal

219. Februar 2001

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Evang. Gemeindehaus in Viersen

Denkmalbeschreibung:

Geschichte
Kurz vor Kriegsende, am 24. Februar 1945, wurde das alte 1889 erbaute evangelische Gemeindehaus durch Bomben total zerstört. Bereits im Juli 1946 fasst das Presbyterium den Beschluss, an derselben Stelle ein neues Gemeindehaus nach Plänen des Viersener Architekten W. Esser zu errichten, den alten Maßen angepasst. Durch Gemeindezuwachs und neuen Grundstückserwerb verzögerte sich das Projekt, bis man im Januar 1953 auf die alten Planungen zurückgreift und den Grundstein zum Neubau an alter Stelle legt. Bereits 1950 war der Kindergarten im hinteren Teil des Geländes ebenfalls von Esser neugebaut worden. Am 14. November 1954 wird das neue evangelische Gemeindehaus eingeweiht.

Lage und Beschreibung
Das Objekt liegt im östlichen Zentrum Viersens parallel zwischen Hauptstraße und Freiheitsstraße neben dem Rathaus. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Gebäudekomplex, der als Eckbau zur Poststraße ausgerichtet ist, bestehend aus dem Saalbau und zweieinhalbgeschossigen Wohnhaus mit Hausmeisterwohnung. Das Gebäude besteht aus Klinker mit Kalksandsteinverblendungen und -gewänden. Im Grundriss stellt sich das Gebäude als ein rückwärtig gestufter Winkelbau dar. Der Saalbau ist zur Straße symmetrisch gegliedert mit erhöhtem Mitteltrakt und seitlich flankierenden Eingangsbauten. Das flache Walmdach über dem Saal wird als Flachdach wahrgenommen, wodurch der Eindruck eines kubisch gestaffelten Baukörpers entsteht. Strenge Achsialität kennzeichnet den Bau. Die Fassaden werden gegliedert durch Zusammenfassung der hochrechteckigen Fenster und Eingänge durch Kalksandsteinrahmungen, die beim Saal als Scheinskelett erscheinen. Dem horizontal ausgerichteten Baukörper antworten als Kontrast die Vertikalen der Fenster und Rahmungen. Die Eingänge treten aus der Flucht leicht hervor. Der Haupteingang ist gekennzeichnet durch drei Treppenstufen und einen schlichten Balkon. Gegenüber dem Haupteingang liegt an der Rückseite ein gleichartiger Ausgang.

An den Saalbau schließt sich unmittelbar das Wohnhaus an, dessen Treppenhaus noch zum Baukörper des Saalbaus gehört. Das schlichte vierachsige Gebäude ordnet sich dem Saalbau unter. Das Mezzanin ist durch drei Rundfenster gekennzeichnet, ein Motiv, das sich im Erdgeschoss des Saalbaus wiederholt und die strenge Fassade auflockert.

Die Innenstruktur ist klar gegliedert und bereits am Außenbau ablesbar. Hinter dem Windfang des Haupteingangs öffnet sich die Halle, gleichsam dreischiffig durch Säulen gegliedert, hinter denen sich beidseitig Garderoben befinden. Rückwärtig öffnet sich über drei Stufen das zentrale Treppenhaus, zweiarmig geschwungen. In der Achse liegt der rückwärtige Ausgang. Im Erdgeschoss schließen sich nach links Vereins- und Sanitärräume an.

Das Obergeschoss beherbergt als Kernstück den großen Saal mit Orgelempore und Podium. Die geschweifte Empore wird von rabbitzverschalten Eisensäulen getragen. Die Wände sind türhoch holzvertäfelt, die Fenstergewände holzverschalt. Die Eisensprossenfenster sind original. Die Decke ist einfach gekehlt.

Durch eine Holzfalttür unter der Empore ist der Hauptsaal mit dem kleinen Saal verbunden, der über der Eingangshalle liegt.

Flankierende Türen neben dem Podium schaffen die Verbindung zum Wohnhaus, das hier im Obergeschoss Umkleideräume und Kaffeeküche beherbergt.

Das gesamte Gebäude zeichnet sich durch eine selten gut erhaltene Originalausstattung aus, die atmosphärisch die Erbauungszeit nachempfinden lässt. Angefangen von den Fußböden, über Fenster, Türen, Griffen, Geländer, Vertäfelungen bis hin zu den Beleuchtungskörpern, die ein breites Spektrum an Lampen aus den 50er Jahren aufweisen.

Begründung des Denkmalwertes
I.1. Das Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Beispiel für den Typus des von der Kirche separierten Gemeindezentrums für gemeindliche Veranstaltungen. Diese Art der kirchlichen Bautätigkeit geht im evangelischen Bereich auf das späte 19. Jahrhundert zurück und stellt eine gesonderte Bauaufgabe im evangelischen Bauen dar.
I.2 Das Objekt ist bedeutend für die Stadt Viersen, da es ein Zeugnis evangelischen Lebens in der Stadt ist. Eine evangelische Gemeinde ist in Viersen seit 1633 nachweisbar, jedoch in der katholischen Enklave ohne Kirche und Seelsorger. Während des spanischen Erbfolgekrieges erhielt Viersen 1705 seinen ersten evangelischen Pastor, 1718 folgt der erste Kirchenbau, dem 1877 die neue evangelische Kirche an der Hauptstraße folgt. 1889 wird das erste Gemeindehaus - ein frühes Beispiel dieser Gattung - gebaut, dessen Tradition das in Rede stehende Objekt an gleicher Stelle fortführt.

II. Für die Erhaltung und Nutzung des Objektes liegen
1. architekturgeschichtliche Gründe vor. Das Gebäude ist der traditionellen Richtung der 50er Jahre verpflichtet. Es geht auf die Tradition der Heimatschutzbewegung im Umkreis des Deutschen Werkbundes vor dem Ersten Weltkrieg zurück, die die schlichte, einfache Form in heimatgebundenen Materialien bevorzugte und sich über die Architektur des Dritten Reiches fast nahtlos bis in die 50er Jahre fortsetzte. Innovationen im Sinne des "Nierenstils" wurden nicht aufgenommen, vielmehr konsequent bis ins Detail am "biederen" Traditionalismus festgehalten. In dieser reinen und original erhaltenen Art beansprucht das Objekt fast Seltenheitswert.
2. Für die Erhaltung und Nutzung liegen städtebauliche Gründe vor. Das Objekt liegt auf einem Eckgrundstück im Zentrum Viersens und hebt sich durch seine markante kubische Gestalt im Straßenraum hervor, ohne jedoch die Maßstäblichkeit zu sprengen.
3. Für die Erhaltung und Nutzung liegen ortsgeschichtliche Gründe vor, da das Gebäude im Verband mit der evangelischen Kirche die evangelische Tradition bis in die Nachkriegszeit in Viersen dokumentiert (s.a. I,2). Nach dem Kriege hatte sich die Zahl der evangelischen Gemeindemitglieder durch Zuzug von Flüchtlingen verdreifacht. Darüber hinaus ist es ein gut erhaltenes Zeugnis des für Viersen bedeutenden Architekten Wilhelm Esser, der zahlreiche Bauten in Viersen errichtete und auch damit Bautradition in Viersen geschrieben hat (u.a. Stadtbad 1906).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das evangelische Gemeindehaus in Viersen gem. § 2 DSchG NW bedeutend ist für die Geschichte des Menschen und für die Stadt Viersen und für seine Erhaltung und Nutzung architekturgeschichtliche, städtebauliche und ortsgeschichtliche Gründe vorliegen.