Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 416

 

Standort:

Burgstraße 1a,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 20,3" N   06o 23' 45,3" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1904

Tag der Eintragung als Denkmal

18. Juli 2001

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus in Viersen

        

Denkmalbeschreibung:

Das Wohnhaus Burgstraße 1a (früher: Rathausstraße 4) wird 1904 nach einem Entwurf des Architekten Franz Kreutzer im Auftrag des Bauherren Peter Wahle errichtet. Es ist dies das vierte von vier etwa zeitgleichen Bauvorhaben Wahles an dieser Straßenecke, nach Poststraße 4 und 6 (beides eingetragene Baudenkmäler) und dem Eckhaus Poststraße/Burgstraße, so dass Wahle also für die gesamte Eckbebauung dieses Blocks verantwortlich zeichnet. Die Fassade des Hauses Burgstraße 1a wird anders, als auf den Baugesuchzeichnungen dargestellt, ausgeführt. Das Baugesuch führt dazu aus: „Von den 4 mir zur Ausführung genehmigten Häusern (Ecke Post und Rathausstraße) beabsichtige ich das noch nicht in Angriff genommene Haus an der Rathausstraße in etwas veränderter Weise auszuführen, wie das aus den beiliegenden Zeichnungen und Berechnungen hervorgeht. Ansprüche, welche von Teilen der Mieter an mich gestellt wurden, etc. machen die Abänderung nötig. Auf dem beigegebenen Situationsplan sind die 3 Häuser nach der Ausführung u. das 4te wie zu bauen beabsichtigt, eingezeichnet. In einer besonders beigelegten Berechnung sind die Hofgrößen berechnet. Ich bitte Eur. Wohlgeboren um gefällige Erteilung der Bauerlaubnis. Hochachtungsvoll (gez. P. Wahle)“.

Es handelt sich um ein eingebautes traufständiges Wohnhaus, zweigeschossig mit großem Zwerchgiebel und einem weiteren, kleineren Zwerchhaus daneben. Die angesprochenen Änderungen in der Ausführung betreffen vor allem die straßenseitige Fassade: Während im Baugesuch noch eine typisch historistische Dekoration mit Bänderputz und antikisierenden Motiven vorgesehen ist, zeigt die ausgeführte Version einen glatten, über dem Sockel hellen Verputz und einige wenige, flächig aufgefasste geometrische und Blatt-Ornamente, die weit eher dem aktuellen Zeitgeschmack um 1905 („Jugendstil“) entsprechen als der ursprüngliche Entwurf.

Die rechte der beiden Fensterachsen ist durch dreiteilige Fenster, einen Erker im Obergeschoss und den Zwerchgiebel mit Austritt auf das Erkerdach betont. In der linken Achse sind der Hauseingang, über einige Stufen eingenischt, und ein einfaches Fenster angeordnet, dessen flache Putzrahmung von geometrischen und vegetabilen Ornamenten begleitet wird. Ein Zwerchhaus mit korbbogigem Fenster und entsprechendem oberen Abschluß sitzt auf dem Traufgesims auf. Mit diesem Zwerchhaus korrespondiert der größere, geschweifte Zwerchgiebel in der rechten Haushälfte, über dessen an den Ecken abgerundeter Austrittsöffnung ein liegendes Ovalfenster das Zentrum eines Putzband-Kreuzes bildet. Als stilistisches Detail bezeichnend sind die rechteckig ausgebildeten „Voluten“ des Schweifgiebels, in denen beispielhaft die geometrische Stilisierung bekannter historischer Formen zum Ausdruck kommt. Brüstungs- und Konsolbereich des Erkers zeigen wieder die zeittypische Blattornamentik.

Rechts neben dem Hauseingang führt ein weiterer Eingang direkt hinab in das Sockelgeschoss, wo sich Wirtschaftsräume und eine ehemalige Küche mit erhaltenen ornamentierten Boden- und Wandfliesen befinden.

In den eigentlichen Wohnbereich gelangt man durch den Haupteingang mit originaler Haustür und Oberlicht. Man betritt zunächst einen mit großen Marmorplatten ausgelegten Flur, dessen original erhaltene Raumausstattung einen, gerade auch im Vergleich zum eher unscheinbaren Äußeren, sehr großzügigen Standard bietet. So zeigt die Decke feine Stuckierungen und stuckierte Gurtbänder auf Konsolen. Türen mit Glaseinsätzen und zugehörigen Gewänden sind erhalten. Die große gerade Treppe ist an die linke Wand angelehnt. Die flachen Geländerbretter und Handläufe sind zu einem geometrischen Muster zusammengefasst und zusätzlich mit kleinen Ornamenten versehen. Wohnzimmer und vordere „gute Stube“ (Baugesuchsplan) bilden die rechte Erdgeschosshälfte. Auch sie zeigen bemerkenswerte originale Raumdetails wie ein großes rückwärtiges farbiges Blumenfenster, einen Raumteiler mit ornamentierten hölzernen Seitenteilen und einem zehnteiligen farbigen Oberlicht mit Blumenmotiven und stuckierte Decken. Der Deckenstuck gibt ebenfalls den neuen Zeitgeschmack für klare, feine, auch flachere Formen wieder, in Absetzung von den vollen, jetzt als „überladen“ empfundenen Motiven des Historismus. Die Decke wird zum Teil in geometrische Felder aufgeteilt, die Randzonen beleben feine Bändelungen, stilisierte Blüten und Pflanzenmotive. Auch im Obergeschoss findet sich diese fein stuckierte Raumgestaltung einschließlich erhaltenem Grundriss und Türen.

Der Bauherr Peter Wahle, selbst wohnhaft Poststraße 6, ist Seilerwarenfabrikant und Kommanditist der Zentrifugenwerke Viersen Schäfer & Co. Dort bringt er bei der Gründung des Unternehmens im Jahr 1919 30.000,00 Mark ein. Nach seinem plötzlichen Tod 1924 im Alter von 56 Jahren wird seine Witwe Inhaberin der Anteile. Ferner ist Peter Wahle seit seiner Gründung im Jahr 1896 Vorsitzender des Allgemeinen deutschen Jagdschutzvereins – Bezirksverein Viersen-Dülken.

Die Anlage der ehemaligen Rathausstraße, heute Teil der Burgstraße, geht zurück auf den Stadtbauplan von 1860, der für die Viersener Innenstadtentwicklung maßgeblich ist. Während im Bereich östlich der Hauptstraße einige Straßenzüge wie z.B. Königsallee und Bahnhofstraße nach 1900 schon recht dicht bebaut sind, ist die Bebauung an anderen Stellen noch sehr lückenhaft oder gar nicht begonnen. So wird die Ecke Poststraße/Rathausstraße erst 1904 durch den Bauherren Peter Wahle mit vier Wohnhäusern besetzt. Da im selben Jahr auch die Reichsbank (Poststraße 8) errichtet wird, kann eine planmäßige, stadtplanerisch angeleitete Entwicklung dieses Blocks zur Poststraße hin vermutet werden. Zusammen mit seinen Nachbargebäuden, darüber hinaus mit den älteren Wohnbauten Bahnhofstraße 31 und 33 und der weiteren, noch bemerkenswert dichten historischen Bebauung an Bahnhof- und Poststraße ist das Wohnhaus Burgstraße 1a Teil eines stadtentwicklungsgeschichtlich bedeutenden Ensembles. Es ist darüber hinaus ein prägnantes Zeugnis für den nach der Jahrhundertwende wechselnden architektonischen Zeitgeschmack, da hier ein historistisch-gründerzeitlicher Entwurf zugunsten der ausgeführten, am „Jugendstil“ orientierten Fassaden-Gestaltung aufgegeben wird. Im Inneren vermittelt die in wesentlichen Elementen ursprünglich erhaltene Ausstattung ein eindrucksvolles Bild der Raum- und Wohnkultur vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus diesen Gründen ist das Wohnhaus Burgstraße 1a bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es ist daher gemäß §2 Denkmalschutzgesetz ein Baudenkmal.