Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 426

 

Standort:

Heierstraße 2,  D 41747 Viersen

GPS:

5115' 09,9" N   06o 23' 34,6" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1901

Tag der Eintragung als Denkmal

18. April 2002

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Nationaltheater (Kino) in Viersen

 

Denkmalbeschreibung:

Geschichte
Der Eigentümer des "Viersener Hofes" (Gladbacher Straße 1), Wilhelm Pesch, läßt 1901 auf einem Nachbargrundstück an der Heierstraße einen Saal an seine Gaststätte anbauen. Den Entwurf für diesen bei seiner Eröffnung als "größter und schönster Saal Viersens" (Zart, S.25) bezeichneten Bau ("Kaiser-Friedrich-Halle") lieferte der Bauunternehmer Johann Peerlings. Ursprünglich gehören noch eine Veranda und Gartenanlagen dazu. 1914 erfolgt der Umbau zu einem Kino, dessen Eingang und technische Infrastruktur 1927 und noch einmal 1928 erneuert wurden, zuletzt nach einem Plan des bekannten, auf den Kino- und Theaterbau spezialisierten Düsseldorfer Architekten Ernst Huhn.

Beschreibung
Erste Planzeichnungen sehen zunächst einen eingeschossigen Flachbau vor, bevor vielleicht auch städtebauliche Gründe zu einer Änderung im Sinne der dann ausgeführten repräsentativen Giebelfassade mit Steildach führen. Heute präsentiert sich der Bau im Inneren vollständig verändert und mit dem Nachbargebäude Gladbacher Straße 1 durchgebaut. Erhalten geblieben ist jedoch die aufwändige, straßenbildprägende Schmuckfassade, deren Großform bereits den Bautyp widerspiegelt, zumal im Zusammenhang mit dem benachbarten Gaststättengebäude.

Das Erdgeschoss ist vier Achsen breit, wobei der linke, flach gedeckte Teil ehemals lediglich eine Garderobe und die Verbindung zur Gaststätte darstellte. Der eigentliche Saalbau erhebt sich drei Achsen breit mit Mitteleingang. Seinem Dachraum ist ein hoher, seitlich geschweifter und dreieckig endender Giebel vorgeblendet. Die Fassade ist durch Lisenen, Geschossgesims und Bänderungen kleinteilig strukturiert. Das Erdgeschoss besitzt eine Putzbänderung, während der Giebel glatt verputzt ist. Die großen Fenster- und Türöffnungen haben korbbogige profilierte Putzrahmungen mit ornamentierten Keilsteinen, der Eingang ist gegenüber dem ursprünglichen Entwurf mehrfach, erstmals bereits für die Kinonutzung verändert (verbreitert) worden, sein Bogenabschluss ist heute eingezogen über der Öffnung aufgestelzt. Bemerkenswert ist die feingliederige Ornamentierung mit stuckierten Pflanzen und Blüten auf den Keilsteinen und in den Zwickelfeldern der Bögen.

Fenster und Türen sind modern erneuert, in der linken Achse wurde das Fenster in einen zusätzlichen Eingang umgewandelt.

Die ornamentale Detaillierung der Fassade wird über dem strukturell eher konventionellen Erdgeschoss am Giebel noch gesteigert. Dass die Ausführung dabei nicht immer exakt dem Entwurfsplan von 1901 entsprach, legen einige vorhandene, höchst wahrscheinlich originale Abweichungen (Brüstungsgesims; Giebelnische) nahe. Außer den Lisenen, die ehemals in Akroterien enden, gliedern dünne Bänder die Fläche. Den beiden Lisenen der Eingangsachse sind dreieckige Stäbe auf Konsölchen vorgeblendet, die ebenfalls akroterartig über die Giebelfront hinausragen und dort in zinnenförmige Aufsätze, welche den Giebelabschluss rahmen, übergehen. Über dem kräftigen Geschossgesims setzt zunächst ein Rundfenster mit vier Keilsteinen die Auszeichnung der Eingangsachse mit besonderen Schmuckelementen fort. Unmittelbar auf dem oberen Keilstein sitzt eine vasenförmige Konsole auf, um die eines der aufgelegten Dreiecksbänder verkröpft ist. Sie dient einem kleinen Putto vor einer flachen Nische als Plafond. Diese Nische wird von zwei Halbsäulen gerahmt, die ebenfalls auf Konsölchen aufsitzen. Sie scheinen ein liegend rechteckiges Feld zu tragen, das vollständig mit vegetabilem Ornament gefüllt ist und in seiner Mitte ein Wappenschild trägt. Ähnliche, kleinere Felder befinden sich links und rechts der Eingangsachse am dortigen Giebelschweif. Auch kleine Dreieckszwickelfelder in der Giebelspitze zeigen das gleiche vegetabile Ornament. In den Giebelfeldern seitlich der Eingangsachse befinden sich jeweils ein kleines, flach segmentbogig geschlossenes Fenster, deren Grundform aber durch breite profilierte Putzrahmen, drei obere Keilsteine, eine kräftig hervortretende Sohlbank sowie stuckierte Brüstungsfelder stark verunklärt ist.

Denkmalwert
Da das Innere des Saalgebäudes durchgreifend modernisiert und umgebaut ist, beschränkt sich der Zeugnis- und damit Denkmalwert auf die Fassade.

Ihre überaus detailreiche ornamentale Ausgestaltung zeugt von dem Anspruch, der mit diesem Bauwerk verbunden war und der ja in der Tat in der zeitgenössischen Bewertung als "schönster Saal Viersens" mündete. Im zeitgenössischen, noch ganz historistisch geprägten Verständnis konnte dieses Anspruchsniveau in einer Häufung unterschiedlicher, überwiegend renaissancistischer Formen und Stilzitate zum Ausdruck gebracht werden. Eher flächenhafte, mehr mit Proportion als mit Detailapplizierung arbeitende Würdeformen, wie sie die moderne Reformarchitektur kurze Zeit später favorisiert, sind dieser Architekturauffassung noch fremd. Auch wenn das Innere der ehemaligen "Kaiser-Friedrich-Halle" als historisches Zeugnis verloren ist, repräsentiert die Fassade mit ihrem guten Erhaltungszustand diese architekturgeschichtliche Stellung in anschaulicher Weise. Die vereinzelten späteren Veränderungen beschränken sich auf untergeordnete Details und respektieren formal und materiell den ursprünglichen Formgedanken.

Von ortsgeschichtlicher Bedeutung ist der Saalbau zunächst als Veranstaltungsort und Teil der bekannten Gaststätte "Viersener Hof", dessen Größe und Gestalt bereits zeitgenössisch als bedeutend gelten. Hinzu kommt dann 1914 die Umwandlung in ein Kino, womit er zu den heute selten gewordenen frühen Einrichtungen dieser Gattung gehört.

Nach überblickshaften Recherchen im Stadtarchiv und mündlichen Auskunft von Zeitzeugen (Herr Willy Bours/Herr Dr. Franz Zevels) gibt es in Viersen vor dem Ersten Weltkrieg mindestens drei oder vier feste Filmvorführstätten. Ein erster Hinweis auf ein kinematographisches Lokal - Phono-Kinematoskopie-Theater - stammt aus dem Jahr 1909 (Ecke Haupt-/Wilhelmstraße), das "Kaiserkino" im Hotel Krefelder Hof ist 1911 belegt, das "Lichtspielhaus", später "Schauburg" an Augustaplatz gegenüber dem Amtsgericht 1913. Andere Namen von Kinos - "Volks-Theater", "Kaiser-Kino", "Apollo-Theater" "Allhambra-Theater", "Kammerspiele" und "Nationaltheater" - die alle den Standort Neumarkt aufweisen, sind nach derzeitigem Kenntnisstand wohl auf das hier angesprochene Gebäude in der Heierstraße zu beziehen. Die ersten öffentlichen Filmvorführungen nach 1895 finden zunächst als Wander- oder Jahrmarktkinos statt. Eine zweite Entwicklungsphase wird in Deutschland ab etwa 1910 angesetzt, als zunehmend feste Spielstätten entstehen, meist umgebaute Säle, aber auch schon erste nur für diesen Zweck errichtete Neubauten. Diese "Sesshaftwerdung" vollzieht sich zuerst in den Städten, wo ein ausreichendes Stammpublikum vorhanden ist. Zu dieser zweiten, immer noch sehr frühen Phase der Entwicklung der Kinoarchitektur ist also auch das Lichtspieltheater in der Heierstraße zu zählen. Der Durchbruch als eigenständige Baugattung, teilweise sogar mit Leitbildfunktion für die Moderne, zeigt sich dann erst in den zwanziger Jahren.

Im Zusammenhang mit dem benachbarten, auch funktional zugehörigen Eckgebäude Gladbacher Straße 1, der ehemaligen Gaststätte "Viersener Hof", und dem daran anschließenden Wohn- und Geschäftshaus Gladbacher Straße 3 bildet die Fassade der ehemaligen "Kaiser-Friedrich-Halle" einen der markantesten historischen Blickpunkte in der Viersener Innenstadt aus. Gleichzeitig bildet sie den Übergang von der höheren Hauptstraßenbebauung in die insgesamt niedrigere Heierstraße, welche noch eine hohe Dichte historischer Bausubstanz aufweist. Ihrer originellen Baugestalt kommt so auch erhebliche städtebauliche Bedeutung zu.

Die straßensichtige Giebelfassade des Gebäudes Heierstraße 2, ehemals "Kaiser-Friedrich-Halle" ist als wichtiger, prominent gestalteter Saalbau und dann als frühes Kino in zentraler Lage bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus den dargelegten wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und ortsgeschichtlichen sowie aus städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz NRW handelt es sich daher um ein Baudenkmal.