Josefskloster in
Viersen

Denkmalbeschreibung:
Geschichte
Die katholische Pfarrgemeinde St. Josef wird 1891 von der Mutterpfarre
St. Remigius abgetrennt und als eigenständiges Rektorat, ab 1895 Pfarre
im Süden Viersens eingerichtet. 1891 wird auch die Kirche fertig
gestellt. Gemäß den spezifischen Bedürfnissen der Zeit und des stark
industrialisierten Bereiches der Stadt betreibt die Pfarre von Anfang an
eine erhebliche sozial-karitative Arbeit. So wird 1893 im hierzu
erbauten "Josefshaus" eine Kinderbewahranstalt gegründet
(1913 und 1916 folgen zwei weitere) und 1910 ein Pfarrkloster mit noch
darüber hinaus gehender Bestimmung bezogen.
Die Einrichtung dieses "Josefsklosters"
wird vom damaligen Pfarrer Dr. Carl Heggen betrieben. Dem Baubeginn 1908
voraus gehen mindestens zweijährige Verhandlungen mit Aufsichtsorganen
und der Kommune über Finanzierung und Aufgaben, die sich in großen Zügen
anhand der erhaltenen Unterlagen im Pfarrarchiv rekonstruieren lassen.
Am 20.08.1906 bekundet das Kloster zum Hl.
Joseph in Neuss, eine Genossenschaft der barmherzigen Schwestern nach
der Regel des heiligen Augustinus, seine grundsätzliche Bereitschaft,
eine neue Niederlassung in der St. Josefspfarre anzunehmen, der, laut
der entsprechenden Erlaubnis des Erzbistums vom Februar 1907, ambulante
Krankenpflege und "die Leitung einer bereits bestehenden und einer
noch zu gründenden Kinderbewahrschule, einer Hausarbeits- und
Haushaltungsschule sowie eines Arbeiterinnenheimes" obliegen
sollen. Die zweite Jahreshälfte 1907 wird dann mit der notwendigen
Genehmigung durch die zivilstaatlichen Behörden verbracht, die
wiederholt detailliertere Aufgabenbeschreibungen anfordern und
insbesondere einen Nachweis verlangen, dass das neue Haus ohne
Verwendung von Geldern der Kirchengemeinde errichtet wird, so wie es ein
entsprechender ministerieller Erlass vorsieht. Die Kirchengemeinde muss
demnach darlegen, dass nicht sie, sondern Pfarrer Dr. Heggen als Bauherr
auftritt, für die Überlassung des kircheneigenen Grundstücks eine
Entschädigung vorgenommen wird und dass das Geld für Bau und Unterhalt
aus einer privaten Stiftung stammt, nämlich der Brüder Wilhelm und
Peter Berrischen.
Zu Wilhelm Berrischen (1844-12.02.1924)
vermerkt das Pfarrarchiv, dass er "seit Gründung der Josephspfarre
ein sehr reger Beförderer aller Angelegenheiten der Pfarre und der
Kirche (war). 25 Jahre war er Kirchenrendant mit kluger und
vorbildlicher Geschäftsführung, eine Aufgabe, die bei der Armut der
Pfarrkirche groß war. Er verweigerte jede Vergütung für sein
Rendantenamt. Er stiftete mit seinem Bruder Peter das St. Josephskloster
und brachte viel Geldopfer für die Kirche. Seit Gründung der Pfarre
bis zu seinem Tode war er Mitglied des Kirchenvorstandes. Er war ein
lieber Freund der Pfarrei." Das Adressbuch der Stadt Viersen von
1906/07 führt ihn als "Kommis" (d.h. kaufmännischer
Angestellter) unter der Adresse Am Kloster 13. Im Adressbuch 1911 werden
unter dieser Adresse außer ihm drei Frauen aufgelistet, von denen eine,
Elisabeth Fleuth, die Sterbeanzeige 1924 aufgibt und ihn dort als ihren
Pflegevater bezeichnet. Zudem ist er Ehrenmitglied des Katholischen
Kaufmännischen Vereins e.V. Viersen.
Wilhelms älterer Bruder Peter Berrischen
stirbt am 19.10.1908 "im Alter von 72 Jahren". 1906/07 führt
er die selbe Adresse wie sein Bruder und als Berufsbezeichnung
"Agent" (Vertreter).
Am 8. Juni 1908 genehmigt das preußische
Ministerium für geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten
die neue Niederlassung, "und zwar zum Zwecke der Uebernahme der
Pflege und Unterweisung von Kindern katholischer Konfession, welche sich
noch nicht im schulpflichtigen Alter befinden, in zwei
Kleinkinder-Bewahranstalten, ferner der Leitung und Unterweisung in
einer Haushaltungsschule und in einer Handarbeitsschule für katholische
Mädchen in nicht mehr schulpflichtigem Alter, sowie der Pflege und
Leitung in einem Heim für Arbeiterinnen katholischer Konfession. (...)
Wir setzen dabei voraus, dass die im St. Josefshaus vorhandene
Kleinkinder-Bewahranstalt und Handarbeitsschule künftighin nicht mehr
von der ersten Niederlassung der genannten Genossenschaft in Viersen,
sondern von der neuen Niederlassung geleitet werden. [Randvermerk v.
Pfarrer Heggen: "Die Bewahrschule an der Josefstraße wurde von der
Remigiuspfarre übernommen"] In die Niederlassung dürfen nur
Ordensangehörige, welche die deutsche Reichsangehörigkeit besitzen und
deren Zahl hiermit auf fünf festgesetzt wird, aufgenommen werden. Die Höchstzahl
der Mitglieder wird auf fünf festgesetzt. (...) Die Genehmigung zur Ausübung
ambulanter Krankenpflege kann nicht erteilt werden, da ein Bedürfnis
hierfür mit Rücksicht auf die bereits vorhandenen Niederlassungen zu
ambulanter Krankenpflege nicht anzuerkennen ist."
Doch auch die ambulante Krankenpflege, ein
Hauptbeweggrund für die neue Niederlassung, wird schließlich doch
genehmigt. Die Kirche muss aber versichern, in dem Haus Kranke nicht
dauerhaft aufzunehmen. Am 21. Juni 1910 beziehen die Barmherzigen
Schwestern aus Neuss das für 22.750 Mark neu errichtete Josefskloster.
Zur älteren von ihnen betreuten Kinderbewahrschule treten 1913 und
1916/17 zwei weitere am Klosterweiher und an der Alten Bruchstraße. Bei
Kriegsende 1918 verzeichnet die Pfarrchronik eine finanzielle Notlage
des Klosters und seiner drei Kindergärten, "die weder Rücklagen
besaßen noch Zuschüsse von der Zivilverwaltung erhielten"
(Chronik 1991, Seite 24). Ein wichtiger Einschnitt im Gemeindeleben
erfolgt 1940, als zum 15. August die Schwestern der Augustinerinnen das
Josefskloster verlassen. An ihre Stelle treten Marienschwestern aus Schönstatt
(Chronik 1991, Seite 33). Weitere 36 Jahre betreiben sie im Gebäude an
der Gereonstraße ein Altenheim und halten dort Einkehr- und
Gemeinschaftstage ab. Außer-dem bilden sie die "Zentrale der
ambulanten Krankenpflege, der Jugendpflege, der Kindergärten, der
Pflege der Kirchenleinwand, der Armenpflege, der Pflege von etwa zehn
alten Leuten ..." (Dickmann 1967, Seite 33f).
Diese Geschichte endet am 31. Mai 1986:
"Das Josephskloster an der Gereonstraße wird verkauft. Unsere Schönstatter
Marienschwestern sind in das renovierte Haus Josefstraße 11 umgezogen.
Seit 1940 betreuten sie u.a. im Josephskloster im Durchschnitt ca. zehn
alte und vor allem kranke Personen. Mit dem Umzug wird dieses Altenheim
aufgelöst." (Chronik 1991, S.75f).
Beschreibung
Das traufständige Backsteingebäude erhebt sich mit drei Geschossen über
annähernd quadratischem Grundriss (ca. 14 x 12 m) leicht zurückgesetzt
von der Gereonstraße. Seine symmetrische Fassade mit Mittelbetonung
durch einen übergiebelten Eingangsrisalit ist fünf Achsen breit. Ein
Satteldach schließt den Baukörper nach oben ab. Ecklisenen, Gesimse,
Trauffries und Mittelrisalit unterteilen die mit neugotischen Zierformen
ausgestaltete Fassade in einzelne Felder, wobei nicht zuletzt durch den
dominanten überhöhten Mittelrisalit eine vertikale Ausrichtung überwiegt.
Die segmentbogigen Stürze der hochrechteckigen Fenster werden im
Erdgeschoss von Spitzbogenblenden überfangen. Auch der über Stufen erhöhte
Mitteleingang ist unter einem Spitzbogen eingenischt. Während Erd- und
erstes Obergeschoss von einem durchgehenden Sohlbankgesims getrennt
werden, laufen zwischen den beiden Obergeschossen die vertikalen Lisenen
durch, so hier nur kurze Gesimsstücke verbleiben.
Der Mittelrisalit endet in einem hohen, fünffach
gestuften Treppengiebel. Seine flachen Ecklisenen bilden darunter einen
Spitzbogen aus, der ein ebenfalls spitzbogiges Dreipassfenster überfängt.
Seitlich des Risalits akzentuiert ein Spitzbogenfries mit kleinen
Werksteinteilen als Keilstein und Konsölchen die Traufe.
Die beiden Giebelseiten besitzen in der
Mittelachse jeweils vier übereinander angeordnete Fenster, das oberste
belichtet das Dachgeschoss. Die im wesentlichen schmucklose Gebäuderückseite
ist verputzt und besitzt ebenfalls einen Mittelrisalit. Die durch ihn
betonte Symmetrie ist seit 1965 durch einen einseitig angebrachten Anbau
mit querrechteckigem Fenster (Architekt Bolten, Viersen) gestört. Ein
gleichartiger, jedoch beiderseits und damit symmetrischer Ausbau mit
hochrechteckigen Fenstern und Terrasse für das Obergeschoss wird
bereits einmal 1945 von Stadtbaurat a..D. Frielingsdorf geplant, aber
nicht verwirklicht.
Das Gebäude besitzt stilgerechte zweiflügelige
sprossengeteilte Holzfenster. Die augenscheinlich ursprüngliche zweiflügelige
Eingangstür ist aus Eiche.
Die erhaltenen Baupläne von 1908 zeigen in
allen Geschossen einen regelmäßigen kreuzförmigen Grundriss aus
breitem Mittelflur, vier größeren Zimmern in den Ecken und kleineren Räumen
seitlich an den Giebeln zwischen den großen Eckzimmern. 1965 sind im
Erdgeschoss Funktionsräume wie Sprechzimmer, Tagesraum, Küche, Spüle
und Personalraum, und im Obergeschoss die Zimmer von Schwestern und
Gepflegten untergebracht. Erschlossen wird das vollunterkellerte Gebäude
von einer gerade zweiläufigen Treppe an der Rückseite. Erwähnenswert
sind ornamentale Gussheizkörper.
Zur Gereonstraße besitzt das Kloster noch die
originale Einfriedungsmauer aus Backstein; Gitter und Tor sind
allerdings erneuert.
Der Planverfasser des Josefsklosters, Martin Küppers,
ist mit seinem Baugeschäft bereits in den 1890er Jahren bei mehreren
heute denkmalgeschützten Gebäuden in Viersen als Bauunternehmer überliefert
(Bahnhofstraße 34, Königsallee 24, Noppdorf 15 - Gaststätte Zum
Hohenbusch -). 1920/21 besitzt er zudem eine Ziegelei An der Eisernen
Hand, mit eigenem Gleisanschluss an die Industriebahn - eine für
Bauunternehmer im späten 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts nicht unübliche
und zweckmäßige Kombination.
Es handelt sich bei dem Josefskloster mit
seinen ursprünglich fünf Schwestern um eine kleine Niederlassung, die
nur eingeschränkt mit umfangreicheren Anlagen verglichen werden kann.
Der klösterliche Gemeinschaftsgedanke kommt hier vor allem in der überaus
regelmäßigen und gleichartigen Grundrissaufteilung zum Ausdruck, die
sich z.B. von den unterschiedlichen Funktionalitäten und Raumgrößen
eines üblichen Wohnhauses deutlich unterscheidet.
Bautypspezifisch ist auch die
Fassadengestaltung als Backsteinrohbau mit neugotischen Zierformen, die
stilgeschichtlich zur Bauzeit um 1910 nicht mehr üblich ist. Bei
kirchlichen Bauaufgaben aber gilt die "Kölner Schule", d.h.
die ausdrücklich als "christlicher Baustil" bezeichnete Gotik
bzw. Neugotik, bis zum Ersten Weltkrieg im Rheinland als der angemessene
Stil. Dabei handelt es sich um eine für Klöster durchaus
neubautenreiche Zeit, sei es wegen des Wiederaufbaus des Klosterwesens
nach dem Kulturkampf oder wegen des in der industriellen Revolution erhöhten
gesellschaftlichen Bedarfs an Einrichtungen für soziale und karitative
Aufgaben, die der sich gerade erst entwickelnde Sozialstaat nicht selbst
zu erfüllen vermag. Die Barmherzigen Schwestern des Josefsklosters in
Viersen repräsentieren einen dieser Krankenpflegeorden, die anders als
die großen kontemplativen Ordensgemeinschaften auch nach der Säkularisation
im 19. Jahrhundert relativ kontinuierlich sich entwickeln können.
Das Gebäude des ehemaligen Josefsklosters,
Gereonstraße 43, ist über fast siebzig Jahre ein Mittelpunkt
kirchlicher Sozialarbeit. Der substanziell im wesentlichen unverändert
erhaltene Bau verweist dabei in eine Zeit, als die Stadt Viersen gerade
hier im südlichen Stadtbereich ein starkes industrielles Wachstum
besitzt, in deren Folge offenbar auch ein Bedarf für soziale
Einrichtungen wie diese bestand. Neben Kranken- und Altenpflege, für
die die Zivilbehörden ja im Genehmi-gungsverfahren genügend eigene
Versorgungseinrichtungen geltend gemacht haben, sollen dabei auch die Fürsorge
für Arbeiterinnen, Kinder und bedürftige Mädchen ein Aufgabengebiet
des Klosters sein. Zusammen mit den benachbarten Bauten an der Josefstraße
(Pfarrhaus, Kaplaneien) und natürlich der Josefskirche selbst bildet es
ein markantes Zentrum von noch aus der Gründungszeit der Pfarre
stammenden Häusern aus.
Das Gebäude des ehemaligen Josefsklosters ist
daher bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht
aus den dargelegten wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und
ortsgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es handelt
sich daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.