Pestkreuz in Viersen

Denkmalbeschreibung:
Geschichte
Der Pest, eine meist durch Rattenflöhe auf den Menschen übertragene
akute Infektionskrankheit, stand die betroffene Bevölkerung meist
machtlos gegenüber. Noch Anfang des 17. Jahrhunderts starben im
Rheinland Tausende an dieser Seuche, allein in Viersen soll die Zahl der
Toten innerhalb von 2 Jahren 2000 betragen haben. Da die medizinischen
Kenntnisse unzureichend waren, sah man die Ursache der Pest in der
angeblichen Verderbnis der Luft durch unheilvolle Sternenkonstellationen
oder in Brunnenvergiftungen. Hilfe in ihrer Not suchten die Menschen im
Glauben. Als besondere Pestheilige verehrt wurden der heilige Rochus,
der selbst nach der Überlieferung von der Krankheit befallen wurde,
aber durch ein Wunder wieder genas sowie der heilige Sebastian, der mit
Pfeilen getötet wurde und deswegen fähig schien, die
"Pestpfeile" der Ansteckung abzuwehren.
In Viersen verstarben alle Priester an der Pest, so dass Hilfe im
Kloster in Sonsbeck erbeten wurde. Zwei der drei entsandten Priester
erlagen ebenso der Seuche, der dritte erkrankte, überlebte aber wie die
nunmehr zu Seelsorge abgeordneten Priester des Minoritenklosters aus
Venlo. Zum Dank für die "Befreiung" von der furchtbaren
Krankheit hielten im Jahr 1620, am Montag nach St. Remigius (1. Oktober)
die drei Geistlichen mit der Gemeinde vor dem Haus auf dem Neumarkt
(heute Gereonsplatz), in dem der letzte Pestkranke gestorben war, eine
feierliche Prozession ab. Sie errichteten ein Kreuz und legten das Gelübde
ab, diese Dankesprozession an diesem Tag alljährlich zu erneuern.
In der Franzosenzeit von 1798 bis 1815 wurde
diese Prozession verboten und das Kreuz vorübergehend beseitigt. 1857
wurde das morschgewordene hölzerne Kreuz durch ein vom Kölner
Dombaumeister Vincenz Statz entworfenes, neues steinernes neugotisches
Kreuz, das 500 Taler kostete, ersetzt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde
es mit einem neuen bronzenen Korpus versehen. Seitdem das Haus, an dem
das ursprünglich Kreuz stand, aus verkehrstechnischen Gründen
niedergelegt wurde, steht es frei auf verbreitertem Bürgersteig.
Beschreibung
Das 6,50 m hohe Kreuz steht auf einem zweistufigen Sockel. Der untere
Kreuzaufbau schließt mit einem schrägen Gesims ab, das auf der
Schauseite eine kleinere Konsole trägt. Der Mittelbau ist auf jeder
Seite in Form eines krabbenbesetzten Wimpergs mit Dreipassbogen
gestaltet. Ein Kranz von Kreuzblumen leitet zum bekrönenden Kreuz mit
dem bronzenen Christuskorpus über. Die Kreuzbalken sind polygonal
ausgebildet.
Folgender Bibelvers findet sich als Inschrift
auf der Kreuzvorderseite:
Um unserer Sünden willen ist er verwundet
worden. Jesajas 53,5.
Der Korpus zeigt die seit dem Mittelalter
typische Darstellung des leidenden Christus. Am Pestkreuz werden die
Wunden der Geißelung zum Symbol für die Pestbeulen der Erkrankten.
Seine Darstellung wird zum Reflex der seelischen Not der Menschen zu
dieser Zeit.
Vincenz Statz, 1819-1898, Mitglied der Kölner
Dombauhütte, war ein bedeutender Architekt des Rheinlands im 19.
Jahrhundert. Als Neugotiker hat er sich einen besonderen Namen im
Kirchenbau, vornehmlich in der Diözese Köln, erworben. Im Stadtgebiet
Viersen wurde nach einer Planung des "für Kirchenbauten sehr
empfohlenen Baumeisters Vincenz Statz aus Köln" am 22.03.1855 der
Grundstein zum Erweiterungsbau der Kirche St. Clemens in Süchteln
gelegt. Von 1855 bis 1858 wird nach seinem Entwurf zunächst als Kapelle
die spätere Pfarrkirche St. Maria Hilfe der Christen in Süchteln-Dornbusch
errichtet. Von 1864 bis 1866 wurde das Langhaus der Viersener
Pfarrkirche St. Remigius nach seinen Plänen instandgesetzt.
Aus wissenschaftlichen, insbesondere
volkskundlichen, heimat- und religionsgeschichtlichen Gründen stehen
Erhaltung und Nutzung des Pestkreuzes gemäß § 2 (1) des
Denkmalschutzgesetzes im öffentlichen Interesse.