Denkmale in der Stadt Viersen

Lfd. - Nr. 487

 

Standort:

Heidweg 102,  D 41749 Viersen - Süchteln

GPS:

5117' 12,3" N   06o 21' 21,8" O

Zuständigkeit:

Privat

Baujahr:

1964 - 1968

Tag der Eintragung als Denkmal

30. April 2009

Quellenhinweis:

Beschreibung der Denkmalbehörde

 

 

 

 

Wohnhaus in Süchteln

 

Denkmalbeschreibung:

Das Haus Heidweg 102 wurde 1966 durch den Bauingenieur und Architekten Wolfgang Jansen als eigenes Wohnhaus für sich und seine Familie errichtet. Eine erste Bauvoranfrage bezüglich der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit der vorgesehenen Konzeption stammt bereits aus dem Jahr 1964.

Der nach Nordwesten aus dem Ortskern in Richtung der Süchtelner Höhen und Dornbusch hinaus führende Heidweg wird 1520 unter seinem heutigen Namen „Heitweg“ genannt. Bis das 20. Jahrhundert hinein entwickelte sich an ihm keine nennenswerte Bebauung. Bedeutendster Anlieger war seit den 1860er Jahren die Samt- und Plüschweberei Gebr. Rossié, deren Betriebsgebäude jedoch abgerissen sind (ehemals Heidweg 42-48). Hinter den Häusern Heidweg 96 und 98 liegt der ehemalige Jüdische Friedhof von Süchteln, angelegt 1749. Heute dominiert den Heidweg Wohnbebauung aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Bereich des Hauses Heidweg 102 überwiegend freistehend.

Beschreibung
Das Haus Heidweg 102 ist ein freistehendes zweigeschossiges Gebäude mit Flachdach, das sich als streng kubischer, würfelartiger Baukörper auf quadratischer Grundfläche von etwa 10 x 10 m (einschließlich Vorkragung vorne) erhebt. Es ist von der Straße zurückgesetzt; eine etwa kopfhohe (1,80 m) Mauer schließt das Grundstück hermetisch nach vorne ab, so dass sich dahinter ein geschützter Innenhof entwickelt. Bauzeitlich zugehörig ist auf der rechten vorderen Grundstücksecke eine gestalterisch angeglichene Garage. In den 1990er Jahren wurde als Pendant auf der linken vorderen Ecke ein Ateliergebäude errichtet.

Alle Gebäude und die Grundstücksmauer besitzen einheitlich weiß geschlämmtes Mauerwerk. Das Wohnhaus ist nach Süden, d.h. hier in Richtung der Straße, in beiden Geschossen weitgehend in Glas aufgelöst, weshalb die abschirmende Mauer unbedingt zum Konzept des Hauses gehört. Die Decken von Erd- und Obergeschoss sowie die beiden seitlichen Wandscheiben sind deutlich vorgezogen, sodass auf gesamter Breite im EG ein geschützter Eingangsbereich und im OG ein überdachter Austritt („Balkon“) entstehen, funktional gleichzeitig jeweils Sonnenschutz. Optisch entstehen so kräftige weiße Rahmungen der dunklen Fensterzonen, die das kubische Prinzip des Hauses betonen. Nach demselben Prinzip ist auch die Front der zugehörigen Garage gestaltet, wo weiße Decke und Wandscheiben ebenfalls dreiseitig das dunkle Kipptor rahmen.

Als drittes Element in der straßenseitigen Ansicht sind dann noch Tor und Zaun unmittelbar links anschließend an die Garage (die Mauer kurz unterbrechend) und das Brüstungsgitter des Austritts im Obergeschoss des Hauses zu nennen, die jeweils aus geraden, dunkel gestrichenen Metallstäben gebildet werden, die sich somit auch in die rechtwinklige Geometrie der Linien einfügen.

Die übrigen drei Seiten sind hingegen nur sparsam und betont asymmetrisch geöffnet, so dass dort die geschlossenen Mauerwerksflächen – im kontrastierenden Zusammenspiel mit den dunkel abgesetzten Öffnungen - wirken können. Besonders konsequent, quasi als „Gegenpol“ zur ganz geöffneten Straßenseite ist hier die Rückseite (Norden) gehalten, die im Erdgeschoss in der Achse Eingang-Flur-Treppe ein geschosshohes Fenster und seitlich davon lediglich sehr schmale Oberlichtstreifen besitzt.

Schon in der gegensätzlichen und zudem unüblichen Ansicht von Straßen- und Gartenseite wird folglich die Durchgestaltung des Hauses deutlich, bei dem das auf den ersten Blick hermetisch wirkende Äußere dennoch untrennbar mit dem Raum- und Gestaltkonzept des Inneren verbunden ist.

Grundprinzip der inneren Aufteilung ist eine Dreizonigkeit, die durch von der Vorderseite zur Rückseite mehr oder weniger durchgezogene Wandscheiben hergestellt wird. Ihre Stellung zueinander ist dabei aus dem „Goldenen Schnitt“ abgeleitet, einem klassischen mathematischen Kompositionsprinzip in Architektur und Kunst, bei dem eine Strecke so geteilt wird, dass das Verhältnis zweier kleiner Teile zueinander demjenigen des Größeren zur Gesamtlänge entspricht. Eine solche Aufteilung wird allgemein als besonders harmonisch empfunden.

Im Erdgeschoss wird die Dreizonigkeit im hinteren Bereich zwar nicht aufgehoben, aber durchbrochen, da die Seiten der in der Eingangsachse angeordneten Treppe transparent gehalten sind. Das Treppengeländer, ursprünglich aus Holz, wurde später durch Glas ersetzt, die Trittstufen sind noch original. So ergibt sich hier zusätzlich ein quergerichteter Durchblick, der die hintere Wohn-/Esszone offen und fließend hält. Im vorderen Bereich dagegen sind Couchecke, Diele und Küche durch geschlossene Wände deutlich als abgegrenzte Räume konturiert.

Die Wände sind auch nach innen als weiß geschlämmtes Mauerwerk gehalten, mit dem das überwiegend dunkel gehaltene Mobiliar und die dunklen Rahmen der Fenster und Türen wirkungsvoll kontrastieren. Der Boden im Erdgeschoss besteht aus dunklem, polierten Naturstein. Die Decke ist hell holzverkleidet, mit feiner Linierung. Diese Verkleidung wird an einigen Stellen im Haus auch nahtlos als Wandverkleidung fortgesetzt (z.B. Wand zwischen Küche und Essbereich).

Im Obergeschoss sind Schlafzimmer, Bad, Treppenhaus etc. entsprechend der Dreizonigkeit in insgesamt sechs Räume separiert, erschlossen durch einen mittigen Querflur. Hinzu kommt der oben erwähnte Austritt als Balkon nach vorne.

Das Haus ist vollflächig unterkellert und wird durch eine Fußbodenheizung beheizt.

Der durch Gebäude und Mauer deutlich von der Umgebung abgeschottete Garten ist im vorderen Bereich prägnant gestaltet, einschließlich Swimmingpool. Die Gestaltung selbst ist neueren Datums, zeigt aber, dass der Garten als Wohn- und Freizeitbereich intensiv genutzt und als Teil des Gesamtkonzeptes zu sehen ist. Während sich der Atelierbau der 1990er Jahre in Gestalt und Proportion harmonisch in die Gesamtheit einfügt, durchbricht der nachträgliche Wintergartenanbau an das Wohnhaus die Gestaltungsidee doch erheblich, auch wenn dies von der Ausdruckskraft der Kubatur noch überlagert wird.

Architekt und Bauherr
Wolfgang Jansen ist 1941 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Die Familie stammt aus Süchteln und zog 1942 dorthin zurück. Seine Ausbildung zum Bauingenieur erhielt er 1963 an der Ingenieurschule Aachen (Wolfgang Lang). Bevor er sich 1970 mit dem Architekten Voigt in Düsseldorf selbständig machte, war er vor allem im Büro HPP (Hentrich-Petschnigg & Partner) u. a. in Düsseldorf, Aachen und Köln tätig. 1979 erfolgte die Gründung des bis heute bestehenden Büros JE & P (Jansen, Ergoecmen & Partner), dessen Schwerpunkte vor allem im Gewerbe- und Verwaltungsbau liegen. Neben dem Großraum Düsseldorf ist die Stadt Viersen der zweite räumliche Schwerpunkt der Bürotätigkeit. Hier sind u. a. zu nennen: Stadtwerke Viersen, Stadtbibliothek Viersen, Feuer- und Rettungswache Viersen, Erweiterung Festhalle/Kreismusikschule Viersen, diverse Wohnanlagen (u. a. Wohnpark Weberstraße), Verwaltungsgebäude Trienekens sowie diverse Projekte im Rahmen des Denkmalschutzes (Villa Bong, Villa Rossié, Zehntscheune Süchteln, Irmgardisstift). Das eigene Wohnhaus Heidweg 102 ist das früheste vollständig nach eigenem Entwurf ausgeführte Gebäude von Wolfgang Jansen.

Bewertung
Das Wohnhaus Heidweg 102 in Süchteln ist einerseits als kompakter, geschlossen konturierter Kubus von der Umgebung abgegrenzt, andererseits sind innen und außen subtil und funktional stimmig durchdrungen (Anordnung und Ausrichtung der Räume in Bezug zu Grundstück und Himmelsrichtungen Einbeziehung des Gartens, Sichtmauerwerk auch im Inneren, großflächige Fensterwände etc.). Die wesentlich aus der Lage und mathematischen Maßverhältnissen abgeleitete Entwurfsidee ist konsequent durchdacht und umgesetzt. Die kubische Kompaktheit des Hauses spiegelt sich auch in der relativ überschaubaren Grundfläche, auf der die Räume im Inneren angeordnet sind – auch hier nach klarem, einheitlichem Prinzip (Achsenteilung), das aber im Wohnbereich, wo ein großzügigerer Zuschnitt gewünscht war, soweit wie nötig durchbrochen ist, jedoch ohne unkenntlich gemacht worden zu sein.

Architekturgeschichtlich und stilistisch repräsentiert das Wohnhaus prägnant Zeitgeist und Entwurfshaltung seiner Zeit, der frühen 1960er Jahre. Es steht einerseits ganz in der Tradition der klassischen Moderne mit ihren weißen Kuben, den eleganten, asymmetrisch gesetzten Fenstern und Fensterbändern, dem Flachdach, dem Ineinandergreifen von Innen und Außen, der Ablehnung traditioneller „bürgerlicher“ Gestaltungs- und Raummuster. Vorherrschend ist eine Reduktion, Konzentration und Strenge der Form und des Materialeinsatzes, der in deutlichem Gegensatz zur verbreiteten modernen Ästhetik der 1950er Jahre steht, und ganz und gar nicht „spielerisch“, „leicht“, „schwebend“ oder „dekorativ“ sein will, wie z.B. die funktionalistische Moderne der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit („Nierentischära“). Diese Rückführung und teilweise Wieder-Radikalisierung der Moderne durch Strenge, Konzentration und Materialästhetik ist ein charakteristisches Phänomen in der Baukunst der 1960er Jahre, mit der sie sich deutlich abhebt sowohl vom Funktionalismus der Nachkriegszeit als auch der traditionellen Architektur üblicher Ausführung, wie sie auch am Heidweg die Steildach-Wohnhäuser der unmittelbaren Nachbarschaft verkörpern.

Diese durchgehaltene Formidee ist auch in der Lage, verschiedene Elemente unterschiedlicher Art und teilweise auch Zeitstellung - Wohnhaus, Nebengebäude, Einfriedung, Garten – zusammenzubinden und eine beträchtliche Störung wie den Wintergartenanbau einerseits als solche erkennbar werden zu lassen, andererseits im Ausdruck zu überlagern.

Die Tatsache, dass sich die Zeitstellung des Hauses dem Betrachter so eindeutig erschließt, zeigt symptomatisch, dass die 1960er Jahre in Architektur und Städtebau inzwischen historisiert werden können. Mehrere wichtige Veranstaltungen und Publikationen haben in den letzten Jahren auch eindringlich darauf hingewiesen, dass Architektur und Städtebau der 1960er Jahre mehr als 40 Jahre nach ihrer Entstehung nun von der Denkmalpflege und der wissenschaftlichen Architekturgeschichte selbstverständlich zu bearbeiten und gegebenenfalls zu schützen sind (siehe Literatur).

Auch wenn ein systematischer Überblick über die Architekturzeugnisse dieses Jahrzehnts bislang genauso wenig vorhanden ist wie für andere Gebiete, so ist doch der Zeugniswert des Wohnhauses für die Charakteristika dieser Zeit und, hiervon unabhängig, seine beträchtliche gestalterische Qualität, fachlich eindeutig feststellbar.

Das zentrale Wohnhaus mit der bauzeitlichen straßenseitigen Mauer/ Einfriedung und der Garage ist weitestgehend original erhalten. Die Gestaltung des Gartens ist jüngeren Datums, seine flächenmäßige Zuordnung zum Haus aber ebenfalls weitgehend unberührt. Der Atelierneubau in der südwestlichen Grundstücksecke ist stilistisch angepasst gut eingefügt.

Als außergewöhnlich qualitätvoll gestaltetes Wohnhaus der 1960er Jahre eines bekannten Architekten ist das Haus Heidweg 102 in Süchteln bedeutend für Viersen. Wegen seines den Zeugniswert stützenden originalen Erhaltungszustandes in Verbindung mit den beschriebenen architekturgeschichtlichen Merkmalen liegen Erhaltung und Nutzung des Hauses aus wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse. Die Voraussetzungen für eine Einstufung als Baudenkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NRW sind daher erfüllt.

Der Denkmalwert erstreckt sich auf die bauzeitlichen Bestandteile Wohnhaus (ohne Wintergarten), straßenseitige Mauer / Einfriedung und Garage.